5. Dezember 2021 / Service Design / Stefan Wacker

Service Design und Digitale Identitäten – Teil 1: Schlüssel zur Plattformökonomie

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Digital Identity SDNue Blog Digitale Identitäten und Customer Experience

Photo by Sharon McCutcheon on Unsplash

Service Design hat vor allem deswegen so an Bedeutung gewonnen, weil wir bereits seit Jahren den Übergang von produkt- zu servicedominierten Geschäftsmodellen erleben.

„…aaS”-Angebote („… as a Service“) finden sich inzwischen in jeder Branche. Häufig sind diese Services viel kleinteiliger und niederschwelliger als ein Produktangebot. Sie müssen also einfach, schnell und bequem buchbar sein – direkt im passenden Kontext. Dies ermöglichen digitale Identitäten.

Der Point of Sale wird zum Point of Service

Was wie eine Sprachspielerei klingt, bedeutet tatsächlich einen Paradigmenwechsel: Unternehmen müssen den Kunden nicht mehr zum Verkaufspunkt bringen („Push“). Sondern dort, wo der Bedarf entsteht, kann nun der passende Service angeboten und der Kunde quasi in die Nutzung hineingezogen werden („Pull“). Einige Beispiele: Wir kaufen keine Videokassette oder Schallplatte mehr, sondern streamen in dem Moment und an dem Ort, wenn wir Musik hören oder einen Film sehen wollen. Wir kaufen keinen Roller oder kein Auto mehr, sondern starten unsere Fahrt von dort, wo wir gerade sind mit dem E-Scooter oder dem Auto aus dem Car Sharing Pool oder sogar Peer-to-Peer.

Bequemlichkeit und Vertrauen

Neben der Verfügbarkeit sind vor allem Bequemlichkeit und Vertrauen die entscheidenden Faktoren, ob der Service gebucht wird oder nicht. Wie lange dauert es, bis ich mich für ein Serviceangebot registrieren kann? Wie schnell werde ich freigeschaltet und zur Nutzung berechtigt? Wie unkompliziert läuft die Bezahlung ab? Und wie wird sichergestellt, dass diejenige Person, als die sich jemand in der digitalen Welt ausgibt, tatsächlich die reale Person in der physischen Welt ist? Aber vor allem: Wer garantiert mir das? Mit welcher Vertrauensstufe?

Validierung des Führerscheins

Beispiel Car-Sharing: Noch sind viele Services nicht adhoc nutzbar. Es braucht digitale Identitäten.

Ringen um die richtigen Konzepte der digitalen Identitäten

Testzertifikate und Impfpässe geben einen ersten Ausblick. Viele andere Länder sind bereits weiter bei einer eID für Kommunen und staatliche Verwaltung. Wo sollen unsere Daten liegen? Wer hat die Hoheit darüber? Wer garantiert Verlässlichkeit und schafft Vertrauen? Unseren Personalausweis haben wir auch nirgendwo hinterlegt, sondern tragen ihn mit uns herum und zeigen ihn nur denjenigen, von denen wir überzeugt sind, dass sie ein legitimes Interesse daran haben. Die digitalen Identitäten bieten noch viel mehr Möglichkeiten eines Datenminimalismus: Wenn eine (technische) Instanz bestätigt, dass ich volljährig bin, braucht zunächst niemand mehr mein genaues Geburtsdatum zu wissen. Völlig neue Anforderungen an ein Design von Services also.

Plattformen sind eine Aggregation von Services

Noch einmal potenziert finden wir diese Herausforderungen in der Welt der Plattformökonomie. Denn Plattformen vermitteln Angebot und Nachfrage, bringen Produzenten und Konsumenten zusammen. Für beide Seiten sind dies Service-Angebote – für beide Seiten brauchen wir also Service Design und die passende Producer Journey und Consumer Journey. Doch Plattformen aggregieren unterschiedliche Services, sie sind Orchestrator für ihr Ökosystem. Das Beispiel Mobilität macht dies besonders deutlich. Erst durch die Kombination unterschiedlicher Mobilitätsangebote lassen sich die meisten Strecken von A nach B wirklich komfortabel und schnell bewältigen. Um das Wechseln der unterschiedlichen Angebote zu ermöglichen und mich im digitalen Umfeld von einem Service zum anderen zu „hangeln“, ist es erforderlich, dass ich mich einfach und schnell legitimieren und authentifizieren kann. Die digitalen Identitäten werden also nicht nur zum Enabler, zum Schlüssel einzelner Services werden, sondern tatsächlich zum „Schmiermittel“ für Plattformen und digitale Ökosysteme. Service Design kann dazu die Konzepte liefern.